Der folgende Text ist aus meiner Hausarbeit im Rahmen des Moduls "Wissenschaftliches Arbeiten und Recherche" entnommen.
Die Geschichte und Entwicklung der Physiotherapie in Deutschland
I. Vorwort
Zu Beginn der Arbeit habe ich mir die Frage gestellt, wo das, was wir heute unter Physiotherapie verstehen, denn wirklich beginnt? Zählen die alten Römer mit ihren Thermen und Bädern auch schon dazu? Ist das damalige Training der Gladiatoren als Physiotherapie zu sehen? Oder beginnt die Physiotherapie vielmehr in der Neuzeit unter Turnvater Jahn in Deutschland und unter Per Henrik Ling in Schweden?
Als ich die Literatur laß, fiel mir auf, dass viele zurück bis zum Schweden Per Henrik Ling gehen. Er gilt in der Literatur als Vater der klassischen Massage, die deshalb auch Schwedische Massage genannt wird.
Nachdem der Titel der Hausarbeit „Die Geschichte und Entwicklung der Physiotherapie in Deutschland“ lautet, war es mir bei meiner Arbeit wichtig, die vergangenen Jahrzehnte mit der Entwicklung der Physiotherapie näher zu beschreiben, als die des letzten und vorletzten Jahrhunderts. Deshalb habe ich den Fokus bei meiner Arbeit auf das 20. und 21. Jahrhundert gelegt. Natürlich passierte im 18. und 19. Jahrhundert auch sehr viel, und vieles ermöglichte erst die moderne Physiotherapie. Dennoch ist die Physiotherapie in der Neuzeit noch mehr auf dem Weg zu einem Wandel, hin zur Akademisierung und zu mehr Selbstverantwortung.
II. Einleitung und Geschichte
„Seien Sie vorsichtig mit Gesundheitsbüchern - Sie könnten an einem Druckfehler sterben.“ (Mark Twain (1835- 1910))
1. 19. Jahrhundert
Wenn wir „Krankengymnastik“ eng verwoben sehen mit den Begriffen „Leibesübungen“ und „Körperertüchtigung“, dann liegt eine Wurzel zur Entstehung der Physiotherapie in Deutschland bei dem Schweden Per Henrik Ling (1776- 1839), der damals in Stockholm das königliche gymnastische Zentralinstitut initiierte und seit 1813 auch leitete. (Hüter-Becker et al. 2004) Ling legte bei seiner medizinischen Gymnastik besonders großen Wert auf eigene Muskelaktivität der Patienten.
Auch der Berliner Orthopäde Albert C. Neumann (1803-1876) interessierte sich für Lings neue Gymnastik und eignete sich die Fähigkeiten bei einem Besuch in Stockholm an. Nach seiner Rückkehr aus Stockholm errichtete er in Berlin einen Kurssaal für Schwedische Heilgymnastik. Obwohl seinen Bestrebungen nach einem staatlichen Auftrag für die Ausbildung zur Gymnastin nicht entsprochen wurde, bildete er 1853 die ersten Gymnastinnen aus.
„Wolfgang Kohlrausch (1888-1980) war ein deutscher Sportmediziner. Er gilt als Vater der deutschen Krankengymnastik, die er maßgeblich entwickelte und prägte“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Kohlrausch, 25.01.2010). Er „gründete bzw. leitete mehrere Krankengymnastikschulen. Während der Zeit des Nationalsozialismus arbeitete er auch an anthropometrischen Untersuchungen und erhielt schließlich den ersten deutschen Lehrstuhl für Sportmedizin. Nach dem Krieg konnte er seine universitäre Tätigkeit nur im Rahmen von Lehraufträgen fortsetzen, was ihn jedoch nicht davon abhielt, bis ins hohe Alter die Krankengymnastik weiterzuentwickeln und neue Methoden zu publizieren.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Kohlrausch, 25.01.2010)
2. 20. Jahrhundert
Die erste staatlich genehmigte Lehranstalt für Heilgymnastik eröffnete im Jahr 1900 der Kieler Arzt J.H. Lubinus (1865- 1937). Die zweijährige Ausbildung bestand im ersten Halbjahr aus der Ausbildung zur Turnlehrerin, die anderen anderthalb Jahre bestanden aus theoretischen und praktischen Unterricht in orthopädischer und medizinischer Gymnastik und Massage.
Bis zum Jahr 1919 blieb die Schule in Kiel die einzige in Deutschland. In diesem Jahr wurde die „Sächsische Staatsanstalt für Krankengymnastik“ in Dresden gegründet. „Mit dieser Schulneugründung war auch erstmalig der Begriff „Krankengymnastik“ verwendet worden.
In den 1920er und 30er Jahren kam es dann zu weiteren Schulneubildungen und zeitgleich zur Ausweitung des Einsatzbereiches der Krankengymnastik über die Fachbereiche der Orthopädie und Chirurgie hinaus. Die Krankengymnastik entwickelte sich von der schwedischen Gymnastik mit den Primärelementen von Widerstands-, Spannungs- und Halteübungen weg, hin zu einer dynamischeren und auch entspannenderen Form der Gymnastik. In diese Zeit fallen die Etablierung neuer Behandlungsmethoden wie z. B. Atemgymnastik, Entspannungstherapie, Klappsches Kriechen, etc. “ (Schämann 2005)
In der Zeit des Zweiten Weltkrieges stieg der Bedarf an Krankengymnasten deutlich an. In Kurzlehrgängen wurde versucht z.B. Sportlehrer zu Krankengymnasten anzulernen. Dies führte aber dazu, „dass die Bezeichnung „Heilgymnast“ von Kreisen beansprucht wurde, die unter dieser irreführenden Bezeichnung krankengymnastische Behandlungen durchführten, ohne je eine entsprechende Ausbildung absolviert zu haben.“ (Steinecke 2009) Und so gründeten sich die ersten Berufsverbände zum Schutz des Berufsstandes. Durch Initiative der „Gruppe 48“ mit Asta von Mülmann, Christa Dültgen, Freulein Gustedt und Irmgard Kolbe wurden die ersten Bestrebungen, eine „Zentralorganisation“ zu gründen, getätigt. So wurde beispielsweise der Zentralverband der Krankengymnasten (ZVK) im Jahre 1949 gegründet. 1951 schloss sich dann der Zentralverband mit Verbänden anderer Länder zur World Confederation for Physical Therapy (WCPT) zusammen.
Ebenfalls 1949 wurde die erste Zeitschrift für Krankengymnastik herausgegeben, was zum ersten Mal einen überregionalen Informationsaustausch unter den Krankengymnasten ermöglichte.
Durch die Gründung der Berufsverbände wurde es möglich, 1958 das erste bundeseinheitliche Berufsgesetz und 1960 die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zu verabschieden.
Seit den 1950ern begann die Krankengymnastik in Deutschland sich neu auszurichten. Durch Aufnahme von neuen Kontakten im Ausland wurden neue Behandlungstechniken wie z.B. PNF und das Bobath Konzept nach Deutschland importiert.
In den folgenden Jahren erweitert sich die Physiotherapie in die Bereiche Sportmedizin und Psychiatrie. Durch den gestiegenen Bedarf an Physiotherapeuten schnellte auch die Zahl der Schulen in Deutschland in den Jahren 1971 bis 1981 von 22 auf 44 nach oben. In den Jahren 1981 bis 1998 erhöhte sich die Zahl gar auf 225 Krankengymnastikschulen.
Am 1. Juli 1958 tritt nach neunjähriger Beratung das erste bundeseinheitliche Berufsgesetz über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs/ medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten (MPhG) in Kraft, welches erst 1994 wieder erneuert wurde.
Am 7. Dezember 1960 tritt auf Basis des Berufsgesetzes von 1959 die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Krankengymnasten (AprO) in Kraft. Die AprO bleibt über 30 Jahre unverändert und regelt im Rahmenlehrplan die Wochenstunden der einzelnen Fächer in der Ausbildung.
Als Reaktion auf den in Ost- Berlin eingerichteten Studiengang an der Humboldt Universität zu Berlin für Medizin- und Pflegepädagogik, an dem sich auch Krankengymnasten einschreiben durften, initiiert der Berliner Gesundheitssenat in Zusammenarbeit mit der Krankengymnastikschule am Oskar-Helene-Heim in West- Berlin einen ersten Lehrgang zur Heranbildung von Krankengymnastik-Lehrkräften.
Ab dem Jahr 1964 nennen sich die Krankengymnasten in der DDR aufgrund internationaler Anpassung „Physiotherapeuten“.
Im Juni 1965 beschließen die Masseure, Masseure/ medizinischen Bademeister ihre Berufsbezeichnung eigenmächtig in „Physiotherapeut“ zu ändern und ihren „Verband für medizinische Hilfsberufe“ fortan „Verband Deutscher Physiotherapeuten e.V.“ zu nennen. Da diese Bezeichnung aus Sicht des ZVK irreführend ist, beginnt ein zehnjähriger Rechtsstreit. Am 28. November 1975 erkennt das hanseatische Oberlandesgericht an, dass die Berufsbezeichnung „Physiotherapeut“ für Masseure zu Verwechslungen führen könnte und erklärt den Vereinsnamen „Verband Deutscher Physiotherapeuten e.V.“ für unzulässig. Der Verband ändert daraufhin seinen Namen in „Verband Physikalische Therapie (VPT) e.V.“ Allerdings legen die Hamburger Richter auch fest, dass sich auch Krankengymnasten nicht Physiotherapeut nennen dürfen. Dies ändert sich erst 1994 mit der Novellierung des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes (MPhG).
Im Jahr 1973 gründen u. a. F. Kaltenborn, O. Evjenith, J. Cyriax das „International Seminar of Orthopaedic Manipulative Therapy” (ISOMT). Ziel ist es, für Krankengymnasten eine komplette Weiterbildung in Manueller Therapie nach internationalen Standards mit internationalen Examen zu etablieren: Die Ausbildung zum Orthopädischen Manual Therapeuten (OMT- Ausbildung). Aber erst 1990 legen die ersten deutschen Krankengymnasten das OMT- Examen vor einem international besetzten Gremium ab.
Ein Jahr später ist die Gründung des „International Federation of Orthopaedic Manipulative Therapists (IFOMT), heute: „International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapists“ (IFOMPT) und ist eine Untergruppe des WCPT. Die IFOMPT ist eine Organisation spezialisierter Physiotherapeuten mit einer international anerkannten postgraduierten Qualifikation. (http://www.ifomt.org/ifomt, 06.02.10) Für Deutschland vertritt die Deutsche Föderative Arbeitsgemeinschaft für Manuelle Therapie (DFAMT) die Belange in der IFOMPT. (http://www.dfamt.de/, 06.02.10)
Im Januar 1979 erreichen die Deutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM) und der ZVK in Verhandlungen mit den Kostenträgern eine gesonderte Gebührenposition Manuelle Therapie.
In den 90er Jahren wird die „WCPT- European Region“ als regionale Struktur im Weltverband der Physiotherapeuten gegründet. Der europäische Regionalverband besteht aus 35 Mitgliedsorganisationen mit einem Generalsekretariat in Brüssel.
Im August 1990 beschließt der ZVK eine Namensänderung in „Deutscher Verband für Physiotherapie – Zentralverband der Krankengymnasten/ Physiotherapeuten (ZVK) e.V.“
Ein wichtiger Meilenstein zur Vernetzung unter den Medizinalfachberufen war die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Medizinalfachberufe in der Therapie und Geburtshilfe“ (AG MTG) am 20. August 1991. Beteiligt waren der Deutsche Verband für Physiotherapie ZVK, der Interessenverband Freiberuflicher Krankengymnasten IFK, der Verband der berufstätigen Arbeitstherapeuten (Ergotherapeuten), der Deutsche Berufsverband für Logopädie, der Berufsverband der Orthoptistinnen und der Bund Deutscher Hebammen. Ziele waren u. a. durch eine gemeinsame Novellierung der Berufsrahmengesetze zu einer Verbesserung der Qualität der Berufsausbildung, zu einer Anhebung der Berufsausbildungen von Fachschul- auf Fachhochschulniveau und zu einer europaweiten Anerkennung der Ausbildungsabschlüsse zu kommen.
Die Kommission „Leitbild 2000“ legt ihre Ergebnisse vor und empfiehlt u. a eine Wissenschaftskommission im ZVK zu bilden; die Arbeit am wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis von Krankengymnastik zu intensivieren; eine Weiterbildung zum Fachphysiotherapeuten zu etablieren; Studiengänge für Lehre, Forschung, Leitung zu initiieren; sowie die Fachhochschulausbildung für Physiotherapeuten anzustreben.
Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Akademisierung und Professionalisierung in der Physiotherapie ist der Start einer Reihe von Seminaren zur Einführung in wissenschaftliches Arbeiten am 23. Mai 1992. Die neu eingesetzte Wissenschaftskommission (später Wissenschaftsrat) hat sich zum Ziel gemacht, Forschungsprojekte zu initiieren, zu entwickeln, zu begleiten und zu fördern.
Eine Verkammerung unseres Berufsstandes war, wie es bei den Ärzten, Architekten, Steuerberatern, Rechtsanwälten etc. üblich ist, bisher nicht gegeben. Im ZVK beginnt im November 1992 eine erste Diskussion zur Idee der Verkammerung des Berufes. Vorteile einer Verkammerung wären u. a. die Selbstverwaltung, das Recht auf Selbstgestaltung und Mitbestimmung, Schutz vor Verstaatlichung und Kommerzialisierung und auch weiterhin die freie Berufsausübung. Die Kammer wäre auch ein Schritt in Richtung Professionalisierung unseres Berufsstandes. Nachteile einer Verkammerung wären die Pflichtmitgliedschaft, sowie die daraus resultierende politische Macht aller Heilmittelerbringer in einer Kammer und die evtl. Schwächung der Berufsverbände durch die „Doppelbesetzung“. (http://www.zvk.org/s/content.php?area=114&sub=339&det=362&step=366&news_id=23&suchbegriff=fortbildungsverpflichtung&zvk_org=08052899b347fb8e49be228df0408dcb, 06.02.10)
Zum Jahresbeginn 1994 führen die Berufsgenossenschaften die „Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP)“ ein. Ein Jahr später übernehmen auch die Krankenversicherungen dieses EAP- Konzept. In den Folgejahren verdoppeln sich daraufhin die Eröffnungen von interdisziplinären EAP- Praxen in Deutschland.
Im Juni 1994 wird die damalige Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg von 1975 bzgl. der Bezeichnung „Physiotherapeut“ eines Masseurs hinfällig: Die Novellierung des „Masseur- und Physiotherapeutengesetzes (MPhG) tritt in Kraft. Grund dafür war die Anpassung an den internationalen Sprachgebrauch und die Zusammenführung der west- und ostdeutschen Heilberufe nach der Wiedervereinigung. „Das (…) MPhG (…) regelt die Ausbildung, die Prüfung, die Erlaubnis, die Zuständigkeit und die Übergangsvorschriften für die Berufe Masseur und medizinischer Bademeister und Physiotherapeut in Deutschland.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Masseur-_und_Physiotherapeutengesetz, 06.02.10)
Im Dezember 1994 tritt die neue Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten in Kraft. Sie ist ein Teil des neuen MPhG und regelt die dreijährige Ausbildung.
Im März 1997 wird das durch Antje Hüter- Becker geprägte Neue Denkmodell für die Physiotherapie „Struktur des Faches Physiotherapie“ vorgestellt. Dies leitet einen grundlegenden Wechsel in der Physiotherapie ein. Nach der neuen Denkweise definiert sich die Physiotherapie nicht mehr nach den Methoden und den Fachbereichen der Klinischen Medizin, sondern an ihren vier primären Wirkorten: Bewegungssystem, Bewegungsentwicklung, Bewegungskontrolle und Erleben und Verhalten, die in der physiotherapeutischen Untersuchung und Behandlung gemeinsam und vernetzt betrachtet werden müssen.
Erste Schritte in Richtung Fachhochschulausbildung in der Physiotherapie werden 1998 unternommen. Das Land Niedersachsen mit ihrer Fachhochschule Osnabrück wollte einen binationalen Bachelor- Studiengang- Physiotherapie mit den Niederlanden installieren. Leider wird diese Idee aber ein Jahr später wieder verworfen.
Ein wichtiger Schritt in der Hochschulreform geschieht am 19. Juni 1999. Der heute unter dem Namen „Bologna- Prozess“ bekannte Schritt ist eine Konkretisierung der Sorbonne- Erklärung vom 25. Mai 1998 zwischen Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien. Definiert wurden wesentliche Ziele für einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum bis zum Jahre 2010. Die Ziele waren: ein zweistufiges Abschlusssystem, die Abschlüsse Bachelor und Master, ein Leistungspunktesystem (ECTS- Credits), die Förderung der Mobilität der Studenten und die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Qualitätssicherung.
Vier Monate später, am 1. Oktober 1999, geht die wissenschaftliche Datenbank PEDro (Physiotherapy Evidence Database) online. Diese kostenfreie Datenbank ermöglicht jedermann die Recherche auf Zusammenfassungen (abstracts) von randomisiert kontrollierten Studien und systematischen Übersichtsarbeiten in der Physiotherapie. Gegründet wurde PEDro vom Center for Evidence Based Physiotherapy der School of Physiotherapy an der University of Sydney .
3. 21. Jahrhundert
Erste Schritte in Richtung akademische Qualifizierungsmöglichkeit in der Physiotherapie in Deutschland werden im April 2000 gemacht. Zum Sommersemester 2001 eröffnet die Fachhochschule Hildesheim einen Bachelor- Studiengang für Physio- und Ergotherapeuten. Zum Wintersemester 2001/ 2002 folgt die Fachhochschule Osnabrück, sowie die Fachhochschule in Fulda, die einen berufsbegleitenden Studiengang für Physiotherapeuten anbietet. Zudem bietet die FH Fulda in Zusammenarbeit mit der Universität Marburg im Anschluss an den Bachelor- Studiengang eine Master- Ausbildung an. Jedoch ist es nicht möglich, vom ersten Tag der Ausbildung an Physiotherapie als Studienfach belegen zu können.
In Kiel startet zum Wintersemester 2001/ 2002 der erste duale Studiengang zwischen der Fachschule für Physiotherapie Kiel und der Fachhochschule Kiel.
Im Januar 2003 erscheint im Thieme Verlag die neue Fachzeitschrift „physiopraxis“. „Profi-Redakteure überzeugen mit kompetenter Berichterstattung und attraktiven Bilderwelten“ (http://www.thieme.de/thiememedia/zeitschriften/physiopraxis.html, 06.02.10) über die Physiowelt.
2004 gründet der ZVK und die Physio- Akademie des ZVK die „ZVK- Stiftung – Stiftung zur Förderung von Forschung und Evaluation in der Physiotherapie“. Zur Förderung der evidenzbasierten Physiotherapie in Deutschland unterstützt die Stiftung Forschungsprojekte, die von Physiotherapeuten durchgeführt werden oder von denen Physiotherapeuten maßgeblich beteiligt sind, und in denen eine Fragestellung mit physiotherapeutischer Relevanz bearbeitet wird.
Initiiert durch die Physio- Akademie des ZVK findet am 11. September 2004 das erste deutsche Symposium „Forschung in der Physiotherapie“ statt. Hier konnten sich alle interessierten Physiotherapeuten zum Thema Forschung austauschen. Jetzt findet das Treffen jährlich statt.
Im Januar 2006 tritt in den Niederlanden die neue Regelung des Direktzuganges zu Physiotherapeuten in Kraft. In Deutschland fordert der ZVK bei einer Anhörung des Sachverständigenrates im August 2006 erstmals öffentlich ein Direktzugang für Physiotherapeuten ohne den Umweg über eine Heilpraktiker- Zulassung.
In Deutschland findet das zweite Symposium der Arbeitsgemeinschaft Medizinalberufe in der Therapie und Geburtshilfe (AG MTG) statt, um die Akademisierung der Medizinalfachberufe in Deutschland voran zu treiben. Gefordert wurde die grundständige Ausbildung an Fachhochschulen in den Berufsgesetzen zu verankern. Trotz zahlreicher Teilnehmer aus Politik und Hochschulen ist das Ergebnis ernüchternd. Aus Sicht der Politik sprechen vor allem die Finanzierungsprobleme bei der zukünftigen Bezahlung eines akademisch ausgebildeten Physiotherapeuten gegen die Akademisierung.
Ein historischer Augenblick für den ZVK und die AG MTG ereignete sich am 4./ 5. Juli 2007. Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder beschließt auf ihrer Sitzung in Ulm einstimmig, eine Öffnungsklausel zur Erprobung neuer Ausbildungsformen in die Berufsgesetze der Gesundheitsfachberufe aufzunehmen. Ein Studium der Physiotherapie soll ohne Verknüpfung mit der fachschulischen Ausbildung zur Berufszulassung führen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf hierfür soll durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erarbeitet und in das Gesetzgebungsverfahren gegeben werden. Am 3. Juli 2009 beschließt der Bundestag dann die Änderung der Berufsgesetze der Hebammen, Logopäden, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten. Die Änderung umfasst die Einführung einer Modellklausel, die es den Ländern erlaubt, eine universitäre Ausbildung probeweise für die genannten Ausbildungsberufe einzuführen.
Am 1. Juli 2008 tritt das neue Pflege- Weiterentwicklungsgesetz (PfWG) in Kraft. Wichtig aus Sicht der Physiotherapeuten ist, dass es für sie ab sofort möglich ist, mit den Krankenkassen ein Modellvorhaben nach § 63 SGB V zu vereinbaren. Der Arzt stellt demnach weiterhin die Indikation zur Physiotherapie, jedoch kann der Physiotherapeut die Maßnahmen der Therapie, die Dauer und die Frequenz der Behandlungseinheiten bestimmen. Damit wurden die Rechte der Physiotherapeuten in Deutschland bei der Durchführung der Therapie maßgebend erweitert.
Im Oktober 2009 begann am ulmkolleg der erste Masterstudiengang für Physiotherapie in Kooperation mit der Donau- Universität Krems. Die Studienzeit beträgt fünf Semester. Die Absolventen tragen nach bestandener Abschlussprüfung den Titel „MSc in Physiotherapie“.
III. Anhang
1. Literaturverzeichnis
1 Hüter- Becker A, Dölken M, Bie R de, Fenner U J, Hengeveld E, Kool J, Repschläger U, Schämann A, Scherfer A, Westerholt M, Wolf U: Der Auftritt wird vorbereitet, in: Hüter- Becker A und Dölken M (Hrsg) Beruf, Recht, wissenschaftliches Arbeiten. Thieme, Stuttgart , New York , S. 8 (2004)
2 Schämann A, Akademisierung und Professionalisierung der Physiotherapie, S. 13 (2005)
3 Steinecke U: Deutscher Verband für Physiotherapeuten – Zentralverband der Physiotherapeuten/ Krankengymnasten (ZVK) e.V., in: 60 Jahre ZVK Chronik. Pflaum, München, S. 3- 62 (2009)
4 Twain M (1835- 1910)